Maniac

Und das ist die "Realität".
Und das ist die „Realität“.

Die Netflix-Serie Maniac entwirft eine retro-futuristische Welt1, in der es von tollen Details wie Trauma-Pillen2, Isolations-Möbeln, Fake-Friend-Agenturen, und persönlichen Werbeanzeigen-Flüster*innen3 nur so wimmelt.

Alleine, es gibt kaum Zeit sich in dieser umzusehen: Im Rahmen eines dubiosen medizinischen Experimentes werden die Köpfe unserer problembehafteten4 Hauptcharaktere Owen5 und Annie6 zwischen zwei Toaster-Hälften geklemmt, und dann erst geht „Maniac“ in die Vollen: Das Experiment7 erzeugt ständig neue Traumwelten, die von James-Bond-Miniatur zum Gangster-Drama bis hin zur „Herr der Ringe“-Parodie reichen.

Ich las in einer Kritik, es mache keinen Sinn, „Maniac“ verstehen zu wollen, die Serie entziehe sich. Dabei ist „Maniac“ sehr leicht zu verstehen: ein hochtalentiertes Team hat zu viele Ideen und viel zu viel Spaß daran, diese an die Wand zu werfen in der Hoffnung, dass am Ende was Interessantes kleben bleibt.

Schön, dass es „Maniac“ gibt. Nächstes Mal ein wenig weniger davon, bitte.

„Maniac“ auf Netflix angucken.


  1. Mehr als einmal musste ich an Terry Gilliams´ fantastisches „Brazil“ denken. 
  2. Nicht zur Bekämpfung eines Traumes, wohlgemerkt: Sondern um es immer wieder neu zu erleben. 
  3. Ein bösartiger Kommentar zur „Gig-Economy“ 
  4. vorsichtig formuliert. 
  5. Nuschelt sich tapfer durch alle Rolle(n): Jonah Hill. 
  6. Wie immer eine Freude: Emma Stone. 
  7. Das Sci-Fi-Geblubber über den Zusammenhang zwischen Pillen, Computern und Trauma gehört zu den schwächsten Aspekten der Serie. 

The End of the F***** World

Zwei unausstehliche Teenager auf der Flucht: Zunächst nur vor ihrer miserablen Lebenssituation, bald gesellen sich aber Eltern, und (einen Mord später) auch die Polizei dazu. Diese bis in die kleinste Rolle fantastisch besetzte, herrlich rotzige und in atemlosen Tempo1 voraus preschende Mini-Serie2 bringt das Kunststück fertig, dass uns diese komplett unsympathische Bonnie und ihr heillos verkorkster Clyde ans Herz wachsen.

“The End of the ****ing World“ streamen


  1. 22 Minuten pro Episode! 
  2. Also: Keine Fortsetzung. Wie wunderbar ein Ende sein kann. 

Bemerkenswertes in Film/TV 2017

Teil der Jahresendabrechnung 2017.

Beste schwarze Komödie, bester Mord per Hirschgeweih:
„Get Out“ von Jordan Peele (IMDB / Rezension)

Beste Tanz-Szene mit Maschinengewehr, Sonderpreis Trauer:
„Foxtrot“ von Samuel Maoz (IMDB)

Bester Superhelden-Film, der keiner sein will, bester angepisster alter Mann:
„Logan“ von James Mangold (IMDB)

Beste Superhelden-Serie zwischen David Lynch und Wes Anderson, Bösewicht des Jahres:
„Legion“ von Noah Hawley (IMDB)

Beste Fortsetzung, packendste Verwandlung eines (menschlichen) Genies in eine Gurke:
„Rick & Morty“ von Dan Harmon, Justin Roiland (IMDB / Rezension)

Realistischste Affen-Szenen (Gleichstand):
„The Square“ von Ruben Östlund (IMDB / Rezension)
„Planet der Affen: Survival“ von Matt Reeves (IMDB)

Sonderpreis Mythologie-Bereinigung:
„Star Wars: The Last Jedi“ von Rian Johnson (IMDB / Rezension)

Lady Dynamite

„Sorry that my dreams are inconvenient for you“

Im Englischen gibt es die wunderbare Bezeichnung „Cringe Comedy“, die im Gegensatz zu dem deutschsprachigen Pendant „Fremdscham-Komödie“ die körperliche Reaktion1 des Publikums auf hochpeinliche Situationen beschreibt. Die Bühnen-Persona der amerikanischen Komikerin Maria Bamford und ihre wunderbar chaotische Netflix-Serie „Lady Dynamite“ ist eine (fast) konstant hyperventilierende Fremdscham-Komödie. Und sehr gut2.

Lady Dynamite – Serie – JustWatch


  1. Das Zusammenzucken. 
  2. Mir ist klar, das schmeckt nicht jeder/m. Vor allem, weil der (reale) psychische Zusammenbruch der Autorin und Hauptdarstellerin die Rahmenhandlung darstellt. Aber hier ist niemand auf Mitleid oder pathetische Bestätigung aus, „Lady Dynamite“ schätzt die Absurdität des Alterns in Hollywood und die Marotten seines inkompetenten Personals viel zu sehr, um jemals selbstgerecht und damit: Langweilig zu werden. 

Netflix-MARVEL präsentiert: die Netflix-MARVEL Superhelden Serien

Unschöne Zusammenstellung via Netflix
Unschöne Zusammenstellung via Netflix

Netflix ist sichtlich stolz auf seine 4(!) Superhelden-Serien basierend auf Charakteren des US-amerikanischen Marvel-Comic-Verlages. Bald1 erscheint nun mit „Netflix MARVEL´s The Defenders (An Original Netflix Series)“ eine sogenannte „Crossover“-Reihe, bei der alle Held*innen vereint gegen diverses Böses kämpfen.

Unterziehen wir also vorher „Netflix MARVEL´s Daredevil“, „Netflix MARVEL´s Jessica Jones“, Netflix MARVEL´s Luke Cage“ und „Netflix MARVEL´s Iron Fist“ einer Einordnung von Banane bis sehenswert.

Ficken/Morden/Meta: „Game of Thrones“ & „WestWorld“

WestWorld — Abb.: HBO
Game of Thrones — Abb.: HBO

„WestWorld“ ist die aktuelle fast-schon-Kino-Produktion des amerikanischen Bezahl-TV-Senders HBO1, hier zu Lande bekannt für das Fantasy-Intrigenspiel „Game of Thrones“. Dieses läuft demnächst aus2, und „WestWorld“ soll der neue Hit werden.

Ich hoffe sehr, dass es gelingt, denn dieser Sci-Fi-Vergnügungspark in dem man3 konsequenz-frei den Roboter-Einwohner*innen (an)tun kann, was man will, ist in den ersten zehn Episoden meilenweit interessanter als die 4 von mir gesehenen Staffeln4 von „Game of Thrones“ zusammen.

Rick And Morty

In der animierten Serie „Rick and Morty“ gehen der brillante Wissenschaftler Rick und sein Enkel Morty auf Abenteuerreisen durch ein kunterbuntes Universum. So weit, so Kinder-kompatibel. Aber Rick ist ein konstant rülpsender Alkoholiker und Morty minderbemittelt, die Familie dysfunktional, und die vor Sci-Fi-Referenzen nur so strotzenden Abenteuer enden meist in einer bitteren Erkenntnis.

Kung Fury

Wer hätte gedacht, dass ein mit Explosionen, Steinzeit-Amazonen, Hitler, 80er-Retro-Charme, nordischen Donnergöttern, Kung Fu, Dinosauriern und David Hasselhoff gespickter Film so unglaublich öde sein kann? Ich nicht!

Aber hier kommt „Kung Fury“, eine per Crowdfunding1 finanzierte, halbstündige Trash-Orgie2, deren Witz bestenfalls für 10 Minuten reicht.


  1. Kung Fury auf Kickstarter 
  2. Ähnlicher Ansatz, aber nicht nur zitierend, sondern sezierend und mit offensichtlicher Liebe für das Ausgangs-Material: Black Dynamite (Scott Sanders, 2009). 

Wetten, dass…?

Heute läuft „Wetten, dass…?“ zum letzten Mal, und irgendwie fühlt sich das falsch an. Nicht, dass ich „Wetten, dass…?“ in den letzten 10 Jahren auch nur einmal gesehen hätte, genoß ich doch die Sicherheit, „Wetten, dass…?“ sehen zu können – sollte ich mal das Bedürfnis verspüren.

Es wäre wie immer: strunzdumm bis absurde Wetten, die ganz neue Kategorien der akuten Sinnlosigkeit erschliessen, deutsche „Stars“ wie Veronica Ferres und Peter Maffay, die neue Schmock-Filme bzw. Schmock-Rock feilbieten, eine Handvoll irritierte Hollywood-Schauspieler, die stets „noch einen Flieger bekommen müssen und deshalb leider früher…“, und „Komiker“ vom Schlage Mario Barths, die sich Hihi-Hoho durch abgestandene Geschlechter-Klischees haspeln.

Das ist/war die größte deutsche Show, angeknipste Lockerheit in leicht muffigen Kulissen.

Und ich schau‘ sie heute wieder nicht, aber ich vermisse schon jetzt die Möglichkeit, sie irgendwann doch sehen zu können – früher oder später wird mich der nostalgische Schleier so weit umnachten, dass ich das ganze debile Spektakel ganz un-ironisch einfach sehen will. So wie früher. Wetten?

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Mensch Gottfried

Mensch Gottfried

Und das hat Konsequenzen!

Sich dem Konsum komplett zu verweigern, das geht ja nicht – so jedenfalls die These. Gottfried aber ist verdammt nahe dran – und er zahlt einen hohen Preis dafür. Zu Beginn dieser knappen Reportage nehmen wir ihn als verschroben und aggressiv war, aber Stück für Stück erschliesst sich seine Welt, seine irritierende Radikalität, die Würde des Menschen Gottfried.

Aussteigertum jenseits von Landromantik und „Heiti-teiti“ (Gottfried).

„Mensch Gottfried“ in der ZDF-Mediathek