The Chino Problem

Am Wochenende verlor ich mein Mobiltelefon, dieses sündhaft teure Stück Technik, auf dem so viele meiner Kommunikationzweige zusammenwurzeln. Bewusst war´s mir sofort – wenn ich die beruhigende oberschenkelige Balance aus linke-Tasche-Schlüsselbund/rechte-Tasche-Handy nicht zu spüren glaube, klopfe ich das sofort linke-Tasche-rechte-Tasche ab, und seufze immer erleichtert.

Diesmal, aber: Heisser Schreck und Hektik. Der Winter multipliziert ja die möglichen Verstecktaschen am Körper, jede Lage besitzt Einschübe und reissverschlussige schwarze Löcher, die sich fröhlich zur gedankenverlorenen Verklappung baldgesuchter Dinge anbieten. Ich stand also am U-Bahn-Steig und kram-tastete wie ein (sehr) später Micheal Jackson an mir herum. Nichts. Weg.

Zuletzt gespürt: in der Bahn. Sicher? Sicher!

Ha! Schnell! Anrufen, das Ding, Begleitung sitzt noch in der Bahn (in der ich gerade sass), direkt neben dem Platz (auf dem ich sass), mein Teil der 2er Hartschale beinhaltet (neben schwindender Hinternwärme auch) das teure Gerät, das sicher nur darauf wartet aus der Ferne vibrationskommandiert und folgend aufgelesen zu werden.

Ich scannte den Bahnsteig: Wer würde mich telefonieren lassen? Alle, die mir offensichtlich weiterhelfen hätten können schienen komplett versunken in das Gerät, das mir weiterhelfen hätte können.

Aber da: eine Teenagerin1 pulte sich gerade ihre Kopfhörer aus den Ohren, ein gutes Zeichen.

„Entschuldigung –Handy – aus der Tasche gerutscht – verloren – Bahn – anrufen – darf ich“
„Ja“.
Hallelu-ja, junge Helferin!

Ich tippte meine Nummer, es klingte. Und klingelte… und dann sprach eine Dame von O2, dass ich leider nicht erreichbar wäre und schlug vor, es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu versuchen.

Einen weiteren Versuch durfte ich nicht tätigen, die Teenagerin fürchtete verständlicherweise um Ihre knappes Guthaben. Eilig rotiere ich von ihr weg, und tollerweise hielt mir ein aufmerksamer Zeuge meiner Bedrängnis ungefragt sofort ein weiteres Telefon ins Gesicht.

„Hier. Probier´s mal, ich muss aber gleich in die Bahn“.

Ich telefonierte also so schnell ich konnte, aber ach! Fruchtlos. Ich hörte die Linie 15 einfahren und reichte das Handy zurück.

„Danke!“
„Kein Problem. Diese Chinos… da muss man aufpassen“, sprach er und verschwand in die nächste Bahn.

War mein Retter ein Rassist? Statistisch gesehen nicht, aber: aufgrund dieser Worte nicht festzumachen. Denn er meinte, und das war mir dank meines akuten Fokus‘ auf Kleidungsstauräume gleich bewusst, die Gefahr, die im von mir an diesem Tag genutzten Hosenformat („Chinos“) und insbesondere den darin befindlichen Taschen schlummerte.

Diese nämlich sind, das scheint mir mittlerweile unbestreitbar, ein eklatanter Konstruktionsfehler: Der steile Saumwinkel verbunden mit einer geradezu fahrlässigen Taschenbauch-Abschüssigkeit (ohne jegliche Sicherungsnut!) führen dazu, dass beim erfolgreichen Einnehmen einer Sitzposition alle in den Chino-Taschen befindlichen Gegenstände aus den Chino-Taschen heraus in die Welt flutschen. Und je strom-liniger, desto Flutsch.
Handy: Very Flutsch.

Wie, um alles in der Welt, kommt so etwas nur zustande?

Ich kann es mir nur so erklären: Der Chino-tragende Mann2 sitzt nicht, er steht, und zwar mit beiden Beinen fest im Leben und Szeneviertel, die Hände lässig an den Chino-Hosen-Taschen. Ein souveränes Lächeln spielt in seinem Gesicht. Ich kenne die Gefahr, sagt das Lächeln des Chino-tragenden Mannes, Dinge drängen aus meiner Hose in die Welt, aber ich stehe drüber.


  1. Oder heisst das heute „Teenie“? Oder hiess es das damals? Ich werde alt. 
  2. Chino-tragende Frauen anwesend? Sind die Tücken geschlechtsspezifisch?