Arsch kicken, Arsch zeigen: eine kleine Inventur des Superhelden-Sexismus

„How can a woman fight in this?“ - Wonder Woman, 2017
„How can a woman fight in this?“ – Wonder Woman, 2017

Es gibt eine wunderbare Szene in „Wonder Woman“,1 in der die kampferprobte Amazone die Damenmode Londons im ersten Weltkrieg anprobiert. „Wie soll eine Frau darin denn kämpfen?“, fragt sie, sichtlich irritiert. Diese Frage stellen sich Superhelden-Kostüm-Designer*innen aber offensichtlich nicht.

Denn: Was braucht es, um als Mitglied in einer Superhelden-Gruppe in den Kampf zu ziehen? Eine praktikable Kleidung — oder Brüste. Eine unvollständige Sammlung.

Komplexität

Ebow ist angetreten, um aufzuräumen. Mit Klischees über muslimische Frauen, mit dem Leitkultur-Bullshit, mit dem Kapitalismus, mit Asyl1. Dicke Bretter, aber die selbsternannte „Frida Kahlo der Strassen“ hat Feuer & Flow & und abwechslungsreiche, feine Beats zur Seite.

Das beste Deutschrap-Album 2017 ist ein feministisches.

Offizielle Webseite / Apple Music / Spotify


  1. Das Wort „Asyl“ im gleichnamigen Song klingt wie ein Hilferuf. Und wie eine Pegida-Sirene. Kunststück! 

Either/Or

„Either/Or“ ist ein Triumph der Lo-Fi-Indie-Produktion, das traurigschönstmögliche Singer-Songwriter-Album (und 2017 20 Jahre alt geworden1).

Kein Song auf diesem Album, der in seiner rauen, zarten Seligkeit nicht zum niederknien ist2. Keine Platte für eine einsame Insel, die Platte ist eine einsame Insel.


  1. Natürlich begleitet von einer Remaster-Deluxe-Edition, natürlich, die glücklicherweise nichts kaputt macht. 
  2. OK, „Rose Parade“ finde ich nur sehr, sehr gut. 

Durchsage: Ausstellung Deutsch­land, mon amour

Freu mich sehr auf die gemeinsame Arbeit/Ausstellung mit Vera Drebusch

Welches Erschei­nungs­bild, welche Oberfläche hat Deutsch­land?
Die Mixed-Media-Installation “Deutsch­land, mon amour” manifes­tiert mit raumgrei­fenden Bild- und Textele­menten eine ambiva­lente Bezie­hung.
Zu sehen ist eine Zusam­men­ar­beit der Medien­künstler Vera Drebusch und Florian Egermann.

Laufzeit: 14.12.17 bis 18.1.18
Eröff­nung am 14.12. um 19 Uhr
Perfor­mance: 18.1. um 19 Uhr

Matjö – Raum für Kunst
Math­i­asstr. 15
50676 Köln

Wallflower

Wie leichtfüssig-organisch ein einziges Lied nacheinander durch die Stile Folk, Soul & Jazz tauchen kann, beweist „Eye To Eye“, das brillante Eröffnungsstück von Jordan Rakei´s „Wallflower“. Die folgenden Stücke bewegen sich meist in klarer abgesteckten Genre-Grenzen, aber das tut dem Genuss dieses extrem elegant arrangierten Albums kaum einen Abbruch.

“Wallflower“ auf Bandcamp kaufen / Jordan Rakei: Offizielle Website / Apple Music / Spotify

Wonder Woman

Superhelden(-filme) sind die Domäne kleiner (und großer) Jungs, denkt Hollywood. Anders lässt es sich nicht erklären, dass der Branchen-Primus Marvel Comics seit 2008 17(!) Superhelden-Filme veröffentlicht hat,1 in denen unter anderem erlauchtes Personal wie eine hammerschwingende nordische Gottheit, ein grünhäutiges Monster mit Stimmungsschwankungen, ein eingefrorener Super-Soldat und ein Dieb der mit Ameisen spricht die Hauptrolle spielen… aber eine Frau als Superheld? Absurd.

The Meyerowitz Stories

Toll gespielte Tragik-Komödie über eine dysfunktionale New Yorker Patchwork-Familie, deren Oberhaupt (Dustin Hoffmann) mit seinem Scheitern als Künstler und, konflikt-trächtiger: Vater konfrontiert wird.

Vor allem Adam Sandler, der König schludriger Komödien, brilliert1 in einem wunderbaren Ensemble. Einzig den Schauspielerinnen hätte Mensch mehr Raum und Gewicht gewünscht — das Drehbuch hat nur marginale Opfer-Rollen für sie übrig.

IMDB


  1. Er kann, wenn er will. 

I tell a fly

Das zweite Album des britischen Pianisten und Sängers Benjamin Clementine ist eine frustrierende Erfahrung, und das ist Absicht:
Balladeske Schönheit wird, kaum etabliert, von Hörspiel-Schnipseln unterbrochen und mit Hilfe kontrastierender Rhythmen und Chöre versenkt – ein Musical auf der Titanic.

Das „Zentrum für politische Schönheit“ vergaloppiert sich in Bernd Höckes Vorgarten

Abbildung: Zentrum für politische Schönheit

Bernd Höcke1 ist unerträglicher Rassist, der von „lebensbejahendem afrikanischen Ausbreitungstyp“2 und einem „Denkmal der Schande“3 faselt — in seiner Partei AfD aber immer noch willkommen ist.

In letzter Zeit wurde es etwas ruhiger um den braunen Schaum vorm Mund aus Thüringen, aber das ändert sich nun schlagartig durch „Deine Stele“, ein Projekt der Aktionskunst-Truppe „Zentrum für politische Schönheit“, die ihm ein Crowdfunding-Holocaust-Mahnmal4 auf das Nachbargrundstück stellen wollen. Und ihn unter Hobby-Überwachung stellen. _Und ihn in einem Satz mit Willi Brandt nennen._5

Ich schätze den symbolträchtig-aggressiven Aktivismus des „Zentrum für politische Schönheit“ sehr, umso ärgerlicher ist diese Aktion:

Bernd Höcke ist nicht das Problem.6 Das Problem sind Menschen, Strukturen und Aktionen die ihn groß machen, im Positiven wie im Negativen.7


  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Björn_Höcke#Namensverwechslung_Bernd_H.C3.B6cke 
  2. AfD-Landeschef Björn Höcke und die Afrikaner – Politik – Süddeutsche.de 
  3. Er meint das Holocaust-Mahnmal in Berlin. Kommentar zu AfD in Dresden: Björn Höcke gibt den Nazi | FR.de 
  4. Eine Wortkombination, die ich so nie zu schreiben erwartete. 
  5. „Wenn er vor dem Denkmal aufs Knie fällt wie einst Willi Brandt“ – ZPS Video „Deine Stele“ 
  6. Rassisten müssen und können ausgegrenzt werden. 
  7. Das jetzt zum aktuellen Stand. Ich hoffe sehr, dass die Stelen nur die erste Phase der Kampagne darstellen und entscheidende (Höcke-freie) Komponenten noch dazu kommen. 

Voll cool: Skype & Dropbox schmeissen sich an die hippe Jugend ran

Hui, bunti. Bild: Skype.com Blog.
Hui, bunti. Bild: Skype.com Blog.

Die altgedienten Online-Dienste Skype und Dropbox haben sich Neugestaltungen unterzogen, und beide sind miserabel. Nun sind (neudeutsch) Redesigns fast immer mit einem komplett überzogenen (neudeutsch) Backlash verbunden1, der null mit der Gestaltungs-Qualität und alles mit gewohnheitstieriger Irritation zu tun hat.