Verpasste Chancen: Als ich Björk im Burger King traf

Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Björk-Albums: Eine schlampig redigierte Kurzgeschichte von ca. 2004.

Neulich, zwischen zwei Burgern, da traf ich Björk.

„Björk, alte Knister-Elfe,“ sprach ich, „was machst denn DU hier?“. Björk sah noch nicht einmal auf. Sie trug ein sehr Björk-artig elaboriertes Gewand, knabberte gedankenverloren an einem Chickendingens und trommelte dabei komplexe Rhythmen auf das Tablett.

Ich war natürlich hocherfreut Björk zu treffen, yeah!, dachte ich, super, ich setz mich zu ihr, dann sind wir beide nicht mehr allein, Björk hat mich und ich hab Björk, und dann schmeckt der abgepackte Schund doch gleich doppelt erträglich. Und vielleicht erzählt sie mit drolligem Akzent noch was über ihre neue Platte – und auf die freut sich ja jeder Mensch, der Ohren am Kopf und ein Herz im Leib trägt.

„Björk“, sprach ich also, „alles roger? Antworten Sie, Fräulein Guðmundsdóttir!“ Ich drohte ihr spielerisch mit einer Pommes, aber Björk beachtete mich nicht, sie zeichnete hochkonzentriert ein filigranes Ketchup-Muster auf den Essenstablett-unterlege-Werbezettel.

Vielleicht hat sie einfach gerade keine Lust, dachte ich, oder ist, im Gegenteil, inspiriert, genau, dachte ich, das ist es, die Künstler halt, die ist inspiriert, selbst von banalem wie Burger King und mir, die macht einfach, Björk, das tollste Ding seit geschnitten Brot. Ich beschloss, erst einmal abzuwarten, ob sie ihre mit Ketchup besudelten Finger an den, (wie es mir da wie Schuppen von den Augen fiel), gletschergleich aufgefächerten Papierservietten abwischen, oder sie nach vollendetem Werk einfach abschlotzen würde.

Natürlich schlotzte Björk.

Eigentlich, dachte ich, ist das ja gar nicht so schlecht, wenn Björk nur schlotzt und schweigt, statt auf unnachahmliche Weise zu Sprech-singen und zu Gurren und zu Jubilieren, das ist natürlich brilliant, aber nicht angemessen, passt nicht, fiel es mir auf, nicht zu Burger King, da ist Sprech-singen und Gurren und Jubilieren fehl am Platz, und die Frau ist eine Stil-Ikone, die weiß das ganz instinktiv, die schlotzt einfach still vor sich hin und malt komplexe Muster, und das ist das Beste, was man machen kann, hier und jetzt.

Und vor allem, fiel es mir siedendheiss ein, hab ich ja ein Riesenglück, ich hätte ja auch Heidi Klum treffen können, die salatmampfende Biederkeit in Person, und die hätte mich bestimmt vollgequasselt von Seal, Fitness-Videos und Fifa-WM-Eröffnungszeremonien, und, mal ehrlich, Seal, Fitness-Videos und Fifa-WM-Eröffnungszeremonien auf einmal sind die popkulturelle Vorhölle. Aber nein, verwarf ich diesen Gedanken, die isst ja beim anderen Verein.

„Björk,“ hob ich also voller Bewunderung an, „du hast´s einfach drau-“ aber Björk war bereits aufgestanden und trippel-hoppste in ihrem komplexen Kostüm gen Ausgang.

„Dein Tablett!“, rief ich, aber sie war schon außer Hörweite.