Helden in Dumpf-Posen

Eine Autogrammstunde bei Deutsch-Rapper Fler

Nicht im Bild: Fler

Fler ist Gangster-Deutsch-Rapper mit einem1 recht beschränkten Themenspektrum: die Bitches (Frauen), die Breitling (Uhren und andere Statusobjekte), der Beste (er). Er (Fler) ist wohl erfolgreich genug, Autogrammstunden rechtfertigen. Zufällig gab es neulich eine in Schlender-weite meines Zuhauses. Also hin, natürlich.

Glücklicherweise teilen Partnerin und Freunde meine Faszination für derartig Subkulturelles und organisiertes Fehl-am-Platz-Sein, ich war Gruppe. Die Autogrammstunde fand im nahen Einkaufszentrum2 statt, in einem dieser „Stores“ die „Store“ statt Geschäft sind.

Wie erwartet, lange Schlange. Wie erwartet, kaum Frauen. Unerwartet: Das Alter, ich hatte mir die Fler-Fans deutlich jünger vorgestellt3.

Wir mischen uns voll leichtfüssig in die Schlange-Menge, wir sprechen an: Warum hier, warum Fler?

Unerwartete Hilfsbereitschaft, „Warten Sie mal, ich spiel Ihnen mal was vor“4. Fler-Musik spotifeit aus einem Smartphone. Wir sind nicht überzeugt, das sieht Mensch uns an, aber eine der wenigen Frauen in der Schlange meldet höflich: „Weil´s geil ist!“.

„Aber ich versteh das nicht ganz mit dem Mütter ficken“ greift unsere Gruppe5 ein Leitmotiv des Gerade gehörten Fler-Werks auf. Kurze Pause. „Sie ficken doch auch gerne, oder?“ — dem ist nichts entgegenzusetzen, und das weiß der Fler-Fan natürlich. Eins zu Null. „Eben.“

Aber das Thema muss ruhen, es kommt Bewegung in die Menge, Fler kommt, Fler ist da – „Gucken Sie mal, da ist er!“ Ehrlich aufgeregt: „Jetzt sind sie beeindruckt, oder?“

Tatsächlich wirkt der Fler, so aus der Distanz, ganz sympathisch. Zwar trägt er eine Gold-Kette von comichaft-absurden Ausmassen, aber er umarmt fleissig und wirkt massig aber nicht einschüchternd.

Und irgendwie, ja, macht das Alles dann doch Sinn: Fler singspricht von einer Welt, die mir fern ist, wo Konsum und Statussymbole, hässlicher Machismo und Underdog-Bissigkeit Währung sind. Ich mag das und seine Musik scheisse finden, aber er verkörpert Aufstieg, da kann die Goldkette gar nicht groß genug sein.

„Der war Heim-Kind, und jetzt hat er Alles!“ sagt jemand aus der Schlange, und auch wenn ich das Alles, was da glorifiziert wird problematisch finde – für Fans ist Fler ein Held und Hoffnungsträger.

Ganz sicher nicht meiner, aber ich bin ja auch behütet aufgewachsen.


  1. Genre-typisch! 
  2. Das einzige mir bekannte Einkaufszentrum übrigens, welches einen schönen Wasserturm aus dem Jahre 1914 mit einem zweistöckigen Parkhaus umgeben hat. Höhepunkte des Kapitalismus! 
  3. Vielleicht bilde ich mir aber auch nur ein, zu wissen, wie 15-jährige heute so aussehen. 
  4. Ja, ab und an schmerzt es immer noch, gesiezt zu werden. 
  5. Nicht: ich.