Helmut Schmidt, Tinder & eine hastige Medienkritik (in 170 Worten)

„Ich las vom Tode Helmut Schmidts“ hätte ich gerne geschrieben, aber statt am nächsten Morgen einen würdevollen (und würdigen) Bericht aus dem Briefkastenschlund zu fischen konnte es mein Telefon nicht abwarten.

So sterben Berühmtheiten heute, das iPhone pingpong-virbriert stolz eine instant Notification, eingerahmt von Tinder1, Twitter2 und Todo-Liste3.

Jedenfalls: Tot ist er, verkündet SpOn, und mein aller-aller-erster Gedanke war weniger medien-konsum-kritischer (oder gar politischer4) Art, sondern dumm-dreist folgender:

Jetzt ist der dahin: der Fels in der braun-gelben Brandung des Rauchens. Der so selbstverständlich rauchte, wo niemand sonst rauchte, ja, Aschenbecher und Augenaufschlag erwarteten ihn, wohin er auch ging , bzw. in späteren Jahren: rollte.

Und jetzt, wo er tot ist: Da werden die Ernst machen. Die Vernünftigen. Die im Recht. Dem Spuk ein Ende. Es hat sich ausgeraucht in Deutschland.

Weg mit diesem sagenhaften Unsinn, dem Rauchen, durchzuckte es mich, mit der Notification noch warm auf dem Display.

Dann pingpong-vibrierte mein Telefon erneut. Es war Tinder. Eine Raucherin.


  1. Tinder: Hält meist, was es verspricht. 
  2. Twitter: Ich verstehe das Versprechen nicht, nehme aber teil. 
  3. Todo-Liste: Ich verspreche mir selbst grundlos viel zu viel. Es ist zum Verzweifeln. 
  4. Ich habe die Zeit-Interviews mit Helmut Schmidt immer genossen, oft begleitete einen sehr hellen Kopf aber auch eine halsstarrige Ader. Aber danke für die klaren Worte.